Wertvolle Tips und praktische Beispiele zur optimalen Rad-Pflege.
Vorgetragen von Siggi Kauder und Horst Wiesenberg
Verschleiß fängt klein an !
Deshalb brauchen alle, auch die besten und gerade diese "Velos" auf die Dauer Wartung und Pflege.
Nur optisches Abwischen bringt auf Dauer für die Mechanik überhaupt nichts.
Für die gründliche Wartung und Pflege braucht der "Mechanikus" aber auch Werkzeug, und zwar ordentliches Werkzeug, wenn's Werkeln auch Spaß machen soll!
Schrauben und Muttern sehen nicht mehr gut aus, wenn sie mit Hammer und Kneifzange traktiert wurden. Gutes Werkzeug ist auf Dauer billiger, denn es hält ja auch "ewig" !
Allerdings lohnt sich kaum der Kauf eines Nobel- Werkzeug- Koffers von Campagnolo oder VAR für ein einziges edles Velo.
Das ist Profibesteck und die Soße wäre damit teurer als der Braten. Außerdem benötigen wir die darin enthaltenen Fräs- und (Gewinde) Schneidwerkzeuge kaum einmal, denn wenn's Tretlager oder der Steuersatz mal ausgetauscht werden müssen, reicht der dafür nötige Schlüsselsatz fast immer aus.
Heute aber wollen wir "Reinigen" und die dafür leider doch erforderlichen Hilfsmittel sollen uns "handgreiflich" vorgestellt werden.
Horst Wiesenberg und ich haben im Laufe der Jahre nicht nur den Spaß auf dem Radl beim Fahren genossen, sondern auch das Drum und Dran, das Werkeln, als echte Freude wahrgenommen und möchten unsere Erkenntnisse gerne hier weitergeben.
Interessant sind einige Teile aus der Werkzeugsammlung insofern, als daß wir so wenig wie möglich Bargeld dafür ausgeben wollten. Auch die Mittel zur Pflege sind wenig kostenaufwändig, sieht man mal vom "Campa-Fett" oder dem Schutzwachs etc. ab. Auch ohne "Kriechöl" mit dem wir alle Gelenke an Schaltung oder Umwerfer oder sonstwelche versehen sollten.
Verbrauchsmaterial schließt auch
--- viele Lappen, Handschuhe,
--- div. Bürsten, Ohrreinigungstäbchen,
--- Handwaschmittel und Creme für die geschundenen Hände ein.
Nun, auch da sammelt sich im Laufe der Zeit Zuhause was an:
--- Abgelegte Socken, Unterwäsche
--- und Handtücher sind beliebte Sammelobjekte.
Aber auch feste Gegenstände sammelt man gerne, wie z.B.
--- eine ausrangierte Bratpfanne mit einem (Maler) Gitter drüber, die nunmehr ihrer endgültigen Entsorgung als "Veloteilchen Reinigungsgerät" umfunktioniert, entgegensieht. Dazu benützen wir als Reinigungsmittel noch etwas Diesel aus der Tankstelle und da reicht schon ein Liter für ein paar Jährchen, wenn man es immer wieder verwendet.
Und das geht so:
Nach der "Teilchenwäsche" über dem Gitter mit der darunter befindlichen "Bratpfanne", gießen wir das Diesel in ein (Glas-) Gefäßmit dem "Dreck", dieser setzt sich langsam, nach Tagen unten im Glas ab und das saubere Diesel bleibt oben und kann "wie neu" für spätere Säuberungen wiederverwendet werden.
Zum "Saubermachen" über der "Pfanne" verwenden wir wieder überwiegend "Gesammelte Werke", wie div. Pinsel, ausgefranste Zahnbürsten, auch Zahnstocher für hatnäckigen Schmutz in Ritzen und Rillen, der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt!
Bevor wir uns überhaupt an die Arbeit machen, müßen wir allerdings erst einmal an die "Teilchen" rankommen, sie fallen ja nicht einfach in die behandschuhten Hände!
Um das geliebte Velo in seine etwa 300 Teile zu zerlegen, bietet sich ein Montageständer an, der im Laden für ca 100 € den Besitzer wechselt.
Ohne dieses Ding aber ist ein jeder Versuch, das sonst liebevoll behandelte Gerät auseinander zu nehmen, hinfällig. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn durch evtl. einfaches Umfallen sind Lackschäden noch das kleinere Übel!
Ein Montagehelfer muß her!
Wer also begabt genug ist und ein Entdeckerinstinkt mit konstruktiven Ideen sein Eigen nennt, der findet auch hierzu das passende Material.
Die Quellen sind vielfältig: Metallabfall, oder auch Holzprofile aus dem Kellervorrat, oder ein (ausgedienter) Dach- FahrradTräger können sicher zur Lösung des Problems beitragen.
Ich habe mir auch sowas zusammengebaut und seit Jahren nehme ich das auch auf Reisen für die Wartung während meiner öfteren "Radsportwochen" mit.
Im Auto nimmt es kaum Platz weg, denn es läßt sich zusammenlegen. Dieser Ständer ist gut genug für alle meine Fahrräder (7) und durch die Längsverstellung für kurze und lange Rahmen einsetzbar.
Ist unser Velo nun sicher auf dem Montageständer befestigt, dann stellen wir es auf "Augenhöhe" um es besser "im Griff" zu haben.
Wir säubern die Kette:
Die Kette in Schulterhöhe erspart uns das Bücken mit allen seinen Folgen (Kreuzschmerzen).
Nun können wir je nach Zeit die zur Verfügung steht, allerlei tun.
Nach einer Regenfahrt wird uns besonders der gesamte Antriebsteil unangenehm auffallen.
Stand das Velo schon eine Nacht im Keller, sieht die Kette schon wie eine "Rostige Kette" aus.
Keine Sorge, das kriegen wir hin!
Mit dem Nietendrücker öffnen wir die Kette, doch Vorsicht! Hyperglide- Ketten sind nur an der Stelle zu öffnen, wo der schwarze Bolzen eingedrückt ist! Er muß dann auch durch einen neuen ersetzt werden!
Normale, Rennrad, oder Schaltungsketten, lassen sich an jedem beliebigen Niet öffnen, aber wir brauchen denKettennietendrücker!
Nun haben wir sie in den Händen und rollen sie einfach zu einer "Schnecke" zusammen. Dann legen wir sie flach auf das Gitter der Bratpfanne und bepinseln sie von links und rechts mit einer harten (Zahn) Bürste die wir in Diesel tauchen. So fällt schon der gröbste Dreck in die "Pfanne" und uns fällt auf, daß der (Flug)-Rost weg ist.
Nun entrollen wir die "Schnecke" zu einer Schlange und ziehen diese mehrmals durch einen Lappen. Danach lassen wir die Schlange in ein (Marmeladen)-glas gleiten und füllen es mit Diesel etwa 1/3 voll. Deckel aufschrauben und schütteln, schütteln ...eine Weile. Dann wieder Deckel auf, abgießen, neues (sauberes altes) Diesel rein, schütteln ...diesen Prozeß fortsetzen bis das Diesel (fast) klar bleibt. Dann trocknen wir die Kette soweit wie möglich (Föhn, Heizplatte, etc.) und legen sie ab.
Wir wenden uns dem Tretlager zu
und ziehen die rechte Kurbel mit einem "Kurbelabzieher" von der Achse. Vorsicht, erst die Halteschraube lösen, die sich hinter der Abdeckung befindet !
Einige Typen (Shimano z.B.) benötigen keinen extra Abzieher, diese lassen sich einfach mit einem "Inbusschlüssel" bedienen. Die Kurbel mit den Kettenblättern legen wir einfach wieder auf unsere "Pfanne" pinselnden Schmutz weg, trocknen ab und legen auch dieses nun saubere Teil ab. Die linke Kurbel folgt dem etwa gleichen Spielchen.
Wir wenden uns nun der freien Tretlagerachse zu,
reinigen diese mit Lappen und drehen dieses Lager einfach mit der Hand hin und her. Dabei sollte weder ein Widerstand noch etwa seitliches Spiel ertastet werden!
Ist Eines von Beidem zu erkennen, dann hilft nur noch das Öffnen des Lagers mit dem "Spezialschlüssel" satz" und das bitte ganz mit Vorsicht! Leicht geht das nicht und ie schnell rutschen die schmalen Schlüssel ab. Außerdem muss der Mechanikus auch wissen,
--- ob sein Lager links = Rechtsgewinde und
--- rechts = Linksgewinde hat !
Ach, da gibt es noch viel mehr zum Grübeln, wenn man genauer hinsieht, sind die tollsten Konstruktionen möglich. Bei Unsicherheit = Finger weg, beraten lassen, ich kann nicht auf alle Möglichkeiten hier eingehen, sonst geh ich ein!
Wir bemerken also nichts Außergewöhnliches am Lager und montieren die Kurbeln, nachdem wir die Pedalen auf Geräusche und Spiel abgetastet haben.
Nun säubern wir den Zahnkranz
nachdem das Hinterrad aus dem Rahmen "gefallen" ist.
Hier wieder die Sichtprüfung: Zähne putzen, oder auseinandernehmen? Sollte die Sicht-prüfung allerdings "Zahnlücken" oder "Karies", Abnützung, aufdecken, dann hilft auch nur Ersatz beschaffen. Um die Ritzel auszubauen ist wieder Werkzeug sehr nötig! Zwei Ritzelschlüssel.
Wollen wir aber auch an den Zahnkranzkörper ran um evtl. die Kugeln im Lager zu erneuern, dann ist auch der zum jeweiligen Fabrikat erforderliche Abzieher fällig.
Aber heute reinigen wir nur und wenden uns deshalb hiervon ab
und dem Umwerfer zu.
Der sitzt über dem Kettenblatt am Sitzrohr.
Seine Lebenskraft ist gewaltig. Er dient ein langes Veloleben lang und wir sollten ihn nur mit dem Pinsel abwedeln und ggf. mit Kriechöl aufmuntern.
Sein Kollege weiter hinten, das Schaltwerk, ist dagegen anspruchsvoller.
Seine 2 Kettenführungsrädchen sind immer für eine Überraschung gut! Wenn es die "Normalen" sind, dann laufen sie nur noch sauber, wenn die Laufbuchsen o.k. sind, also ohne Riefen,
oder Rillen.
Um die Rädchen auszubauen entfernen wir die Achsschrauben, entweder mit einem kleinem Inbusschlüssel, oder einer Stecknuß, auch hier haben die Erfinder sich in alle Lösungen verzettelt ! Normales ist an einem Velo sowieso kaum zu finden! Somit ein weites Feld zur Diskussion offen!
Wir reinigen das Schaltwerk nun so, wie wir es mit dem Umwerfer machten und wenden uns dem Wiederaufbau des Velos zu.
Alle demontierten Teile werden wieder angebaut, auch die noch nicht fertige Kette
wird sauber aufgelegt und vernietet. Sie sieht noch ganz stumpf und glanzlos aus.
Dann wischen wir noch einige Male mit dem Lappen drüber, indem wir den Lappen in der linken Hand unterhalb der Kettenstrebe um die Kette halten und diese Rückwärts drehen, je länger, je lieber!
Die Kette:
Was jetzt folgt ist die Wiederbelebung der noch unvollständig bisher behandelten und "toten" Glieder des Gliederstranges.
Und das geht so:
Wir erwärmen (im Wasserbad) die Tube mit dem Kettenfließfett (billiger ist Vaseline) auf ca. 40 Grad, dann erst fließt das Fett erst so richtig und auch leichter zwischen die Innen- und Außenlaschen der einzelnen Glieder. Wir achten aber auch sorgfältig darauf, daß unser Fett nur zwischen die Laschen gerät, auf keinen Fall aber lassen wir es auf die Rollen träufeln.
Damit das Fett auch richtig nach Innen kriecht, wird die Kette nun mit einem Föhn rundherum erwärmt.
Ist das Fett nun da wo es sein soll, dann wieder außen die Kette so sauber wie möglich polieren, siehe oben.
Jetzt wird mit Sprühwachs versiegelt um das Fließfett "Innen" zu halten und die Kette,
wenn das Wachs "Hart" geworden ist, wieder "Geläppt" bis sie richtig glänzt!
Nun haben wir sie soweit, daß sie lange so bleibt, wenn wir nach jedem "Ausritt" nur noch mal eben den Strang durch den Lappen laufen lassen. Das, leider, gehört nun zum Radeln, wie der Wechsel unserer Sportkleidung und die erfrischende Dusche.
Kriechöl ist für die Kette nicht empfehlenswert, es sei denn, man kann sich öfter mal eine neue kaufen, denn dünnes Öl wird viel schneller verdrängt als Fett.
Die Bremsen:
Nun erst wenden wir uns den restlichen Komponenten am Rahmen zu und das sind in erster Linie die Bremsen. uch diese benötigen eine Sichtprüfung, sie sollten nicht an der Felge schleifen (einseitig) und im Bremsgummi keine Steinchen festhalten, die uns die Felgenflanken ein-schneiden könnten.
Ein Tröpfchen Öl auf das Achslager, zwischen den Bremsschenkeln kann nicht schaden.
Wir prüfen noch die Bremshebel am Lenker auf festen Sitz (!) und schauen dabei auch mal die Bowdenzüge an.
Da diese aus vielen Drähtchen zu einem Draht gedrillt sind, kann an den Klemmschrauben schon leicht mal eines durchgescheuert sein. Hier hilft nur noch ein möglichst baldiger Austausch. Das gleiche Dilemma kann auch die Seilzüge an Schaltung und Umwerfer betreffen!
Es verbleiben noch ein paar Pflegebedürftige Teile, wir sind noch nicht fertig!
Schauen wir unter den Sattel.
Der Straßendreck hat auch hier sich eingenistet und läßt sich leicht mit einer runden Stielbürste verjagen.
Dabei kann von Zeit zu Zeit auch mal die Halteschraube (M8) auf festen Sitz getestet werden, auch die am Sitzrohr, die unsere Sattelstütze am Reinrutschen hindern muß, auch.
Das Oberleder des Sattels pflegen wir auch (nach Regenschlachten) mit Sattelfett oder Wachs.
Noch ein Tip:
Die Klemmspalte im Oberrohr versiegeln wir auch wieder mit Wachs, damit so wenig wie möglich Wasser eindringen kann.
Das tun wir auch vorne über dem Steuersatz und damit sind wir am Lenker angelangt.
Hier prüfen wir den festen Sitz des Vorbau's indem wir das Vorderrad zwischen unsere Schenkel klemmen und den Lenker hin und her, auch auf und ab (!) bewegen.
Beides fest?
Wenn nicht, Klemmschrauben nachziehen.
Selbstverständlich fahren wir auch nicht mit etwa herunterhängendem Lenkerband und schon gar nicht mit offenen Rohrenden!
Die "Stöpsel" könnten uns bei einem Sturz vielleicht nur blaue Flecken am Oberschenkel beibringen, das offene Rohr evtl. tiefe Löcher stanzen!
Wir prüfen weiter: den Steuersatz auf (Null) Spiel.
Das geht so: Rad steht neben uns, wir fassen mit beiden Händen den Lenker unten und ziehen die Vorderradbremse fest an. Nun schieben wir das ganze Radl vor- und rückwärts.
Spüren wir dabei wie irgendetwas "schlackert" ist der Steuersatz (oder die Bremse!) lose.
Um die Muttern des St.Satzes wieder fest zu kontern, brauchen wir Spezialschlüssel und viel, viel Gefühl!
Zu fest eingestellt, ist es nicht möglich freihändig zu fahren, rastet etwa der Lenker in der
Mittelstellung und ist keine Justierung auf Nullspiel möglich, sind wahrscheinlich die Kugeln in die Laufschalen eingedrückt und Ersatz kommt auf uns zu.
Die Reifen:
So ganz sachte nähern wir uns dem Ende der einmaligen großen Inspektion nach einer Regenschlacht, aber, noch sind da die Reifen!
Auch diese sind nicht ohne Wartung pausenlos sicher im Einsatz, sie sollten besonders im Winter und Frühjahr, ab und zu einen prüfenden Blick auf's Profil verdient haben! Da finden wir sicher die kleinen Streumittelchen wieder, die sich dort eingearbeitet haben.
Wenn wir sie ignorieren, dann dringen sie weiter vor und durchdringen eines (un) schönen Tages die Fäden der Karkasse, möglicherweise auch den Schlauch.
Also "polken" wir mit einem Dorn möglichst alle Teilchen (Steinchen) heraus. Die Flanken der Reifen sehen wir auch an.
Diese sollten einwandfrei sein, das heißt, unbeschädigt. Hier können z.B. schrägsitzende Bremsgummis oder große Steine (Naturstraßenklamotten) das Gewebe angeknabbert haben. Kleinste Stellen lassen sich dann noch mit sorgfältigster Klebearbeit ausbessern, aber Vorsicht! Die Hochdruckreifen machen sich Luft! Auch durch die Seitenwände und das genau im ungeeignetsten Augenblick.
Ja, liebe Radsportfreunde, und nun könnte ich noch die Wartung der Laufräder auf die Speichenprüfung und die Lager ausweiten; aber diese Arbeiten ersparen wir uns für heute. Wir wachsen noch den Rahmen und schauen auch den Lack dabei kritisch an.
Kleine Lackschäden finden wir auch noch und deren Beseitigung schieben wir ruhig vor uns her bis es draußen wieder schön warm ist, dann fließt der Lack aus der "Tupfflasche" besser.
Abschließend kann ich noch erwähnen, daß so eine "Reinigungsinspektion" 4 bis 6 Stunden eines kostbaren freien Tages verschlingen kann.
Wenn Ihr aber nach jeder Fahrt wenigstens den "Antrieb durch den Lappen zieht" bleibt der immer einsatzbereit.
Mit ein wenig Wachs danach auf der Kette, sprechen Euch unterwegs sogar Freaks auf diesen ungewöhnlichen Glanz an ! Mir passiert das öfter, doch bin ich kein Maßstab - ich als Senior habe mehr Zeit
zum Fahren und zum Putzen!
Ohne diese Zeit zu haben, wäre dieser Aufsatz auch nicht entstanden.
Mit der Schreibmaschine habe ich jedoch noch immer so meine Schwierigkeiten, deshalb bitte ich für eingeschlichene Ausrutscher um Nachsicht.
Zum tröstlichen Abschluss: Am Radl ist alles genormt!
Nur leider alles nach einer anderen Norm !
Und: Sonne in den Speichen sieht nur einer, der sein Rad selbst bewegt.