Salve ciclisti,
irgendwie muss man vom M15 (= Friedensfahrt Roma - Cumiana 2015) wieder nach Hause kommen. Die meisten deutschen Teilnehmer haben den Zug genommen, was auch das naheliegenste ist. Sei matto (it. Du bist verrückt) - das war meist die Anwort als ich meinen italienischen Freunden erzählt habe, dass ich heimwärts (zumindest bis ins Allgäu) mit den Radl fahren will.
Mit etwas Rotwein vom Abschiedsfest verabschiede ich mich früh morgens von den Tre denti (it drei Zähne), die über Cumiana thronen. Viel Schlaf hatte es diese Nacht nicht gegeben. Von optimalen Umständen einen Brevet zu starten, kann man nicht wirklich sprechen.
Sonntag früh morgens. Vergleichbar mit uns - alles schläft noch entsprechend verkehrsarm quere ich die Großstadt Turin. Diesmal wähle ich nicht den easy way, stattdessen kletter ich die Hügel auf der anderen Po-Seite hoch und werde mit schönen Ausblick über die Stadt belohnt.
Über das Hügelland geht es im stetigen Wechsel von auf und ab gen Osten.
Während nördlich vom Po sich die Ebene ausdehnt, erheben sich südlich vom Fluss die Hügel. Schöne kleine Straßen, die echt gute Laune machen (vorallem als die Überreste vom Rotwein endlich verdunstet sind)
Auf jeder Hügelspitze thront eine kleine Ortschaft.
Dann geht es Richtung Norden. Uns fremde Felder durchquert man - hier wird Reis angebaut.
Wie schon beim M15 ist es wieder heiß. Vorallem hier in der Ebene - die Straße verschwindet im Flimmern.
Norvara - eine schöne Stadt im Piemont. Etwa so groß wie Erlangen. Doch sonntags ist sie fast menschenleer.
Dann geht des den Kanal vom Fluss Ticino entlang. Radweg vom feinsten. So etwas findet man selten in Italien.
Bald ist das Tagesziel in Varese erreicht. 241km sind genug. Zu erwähnen wäre noch ein Radler mit Fatbike, der sich 10km in meinen Windschatten hängte. Respekt, solch dicke Reifen auf Geschwindigkeit eines RR zu beschleunigen.
Nächster Tag - Montag morgen. Schon früh morgens verlasse ich meine Unterkunft. Bald ist der Lago Lugano erreicht. In Ponte Tresa reise ich in die Schweiz ein. Doch zu meiner Überraschung stauen sich die Autos bis nach Lugano (etwa 10km). Ein Glück, dass man mit den Radl sich nicht anstellen muss.
Die vielbefahrene Kanton - Straße über den Monte Ceneri versuche ich soweit wie möglich über Nebenstraßen auszuweichen. Leider ist der ausgeschilderte Radweg nur geschottert. Jammern hilft nicht. Der Verkehr ist ätzend. Doch bald die Passhöhe erreicht und bergab kann man locker mit den Autos mithalten. Bald ist die Piano di Magadino erreicht. In der Ferne ist der Lago Maggiore zu sehen.
Quer durch Bellinzona. Brötchen für über 1 EUR gekauft. Schweiz ist nicht billig! Dann geht es immer Richtung Norden. Wieder verlasse ich die Hauptstraße wenn immer es möglich ist. Bald ist Biasca erreicht. Hier muss man sich entscheiden: Gotthard oder Lukmanier. Diesmal soll es der Gotthard sein.
Neben der Straße sind alte Bauernhäuser zu sehen. Die Örtchen sind romantisch. Tessin ist einfach traumhaft.
Hier ist der Fluss Ticino noch ein Gebirgsbach.
Jetzt gibt es keine Alternative zur Hauptstraße. Doch zum Glück schluckt die Autobahn den Hauptverkehr. So ist es ziemlich ruhig. Als Eisenbahn faszinieren mich die vielen Kehrtunnels vom Gotthard. Einen Zug kann man hier dreimal in verschieden Tunnels verschwinden sehen, bevor er eine "Etage" tiefer wieder aus den Berg herauskommt.
NMit den Gotthard Scheitel Tunnel wird es auf dieser Trasse bald ruhiger werden. Schon im Jahr 2016 ist dessen Eröffnung geplant. Dann kann nicht mehr die schweren Güterzüge sehen, die mit Doppel-Traktion den Berg bezwingen.
Nach über 100km Anlauf kommt endlich der "echte" Gotthard in Sicht. Hier verschwindet die Autobahn in den über 16 km langen Tunnel.
An einem Brunnen treffe ich einen älteren Mann. Auf italienisch unterhalaten wir uns. Ich sage zu ihm, dass ich Deutscher sei. Antwort: "Aus welchem Kanton kommst Du?". Hmmm, wir sind in der Schweiz. Ich muss ihn erklären, dass ich aus Good old Germany komme.
Autobahn ist weg. Doch noch immer kann man sich entscheiden. Neubaustrecke oder die alte Passstraße, die durchs Val Tremola (Talld des Zitterns) führt.
Natürlich muss es die alte Passtraße sein. Kopfsteinpflaster lassen einen die Straße spüren. Doch bergauf ist es erträglich. Die Straßenführung ist ein Traum. 24 Kehren in der Tremola sind ein Hochgenuß. (Passbeschreibung). Lasst einfach die folgenden Bilder selbst auf Euch wirken. Es fehlt nur noch der Wind der hier einen um die Ohren pfeift.
Kurz vor den Gipfel kommt mir eine Familie auf einer Radtour entgegen. Chapeau - meine Familie würde niemals mit mir über den Gotthard radeln.
An der Passhöhe angekommen wechsle ich von der alten auf die neue Straße. Der Gotthard war einst einer der ersten Alpenpässe, den ich bezwungen habe (02.08.1993). Auf der Abfahrt erinnerte ich mich warum mit damals es so toll gefallen hat. Gebügelter Asphalt und breite Straße ohne große Kurven lassen einen förmlich hinuntersausen. Bald ist Andermatt erreicht.
Hinter Andermatt geht es durch die Schöllenen - Schlucht. Hier gab es mit Juni einen großen Bergsturz. 4 - 6 Wochen war die Staße für jeglichen Verkehr gesperrt. Just in time war sie wieder eröffnet.
Bald ist Wassen erreicht. Das Kirchlein kann man im Zug auch dreimal aus verschiedenen Blickwinkeln bewundern.
Bald war Altdorf erreicht. Das Wetter schlägt um, statt blauen Himmel ist es bewölkt. Regen fiel aber nicht. Hier biege ich in Richtung Osten ab und steige in den Klausenpass ein. Den Klausenpass bin ich in umgekehrter Richtung am 09.08.1993 schon einmal gefahren. Damals hat es übelst geregnet. Diesmal regnet es nicht, aber Kaiserwetter ist etwas anderes.
Dennoch bietet er schöne Ausblicke
Es ist schon spät, so dass nicht mehr viel Verkehr unterwegs ist, als ich die Passhöhe erreiche. Dann geht es abwärts in den Kanton Glarus.
Nach der ersten Kehrengruppe erreiche ich den Urner-Boden. Malerisch liegt er unter den Felsspitzen.
Dann geht es über Glarus zum Walensee. Letzter große Anstieg des Tages nach Amden. Für den Autoverkehr ist dies eine Sackgasse, aber als Radler kann man über eine Militärstraße den Berg überqueren. Der Pass heißt "vor der Höh!". Die 5 Quäldich - Sterne kann ich bestätigen. Liegt es am Gotthard oder am Klausen? Die letzten km sind hart. Steil ist die Straße. Rad macht Männchen, wenn ich ersten Gang trete. Die Knie schmerzen. Eigentlich längst Zeit für eine Pause, doch den Pass will ich noch bei Tageslicht queren. Also weiter. Am steilsten Stück steige ich ab und schiebe und esse nebenbei meine Brotzeit.
Das Rennen gegen die Sonne verliere ich. An der Passhöhe ist die Dämmerung vorüber, aber noch nicht wirklich dunkel. Eigentlich Zeit für eine Rast, doch auf über 1500 hm wird es zu kalt werden. Ich muss weiter. Auf der Abfahrt ist es dann stockdunkel. Schmale Straße quer durch den Wald. Dreck auf der Straße. Querrillen. Wild läßt das Holz knacken. Folglich fahre ich entsprechend vorsichtig ab. Die Bremsen heizen gut ein. Bald bin ich wieder im Talboden und wie gerufen kommt ein Randoneuers-Hotel ins Blickfeld. Die Talstation einer Seilbahn.
Nochmals Brotzeit und Augenpflege. Nach 5h Schalf geht es weiter. Bald erreiche ich das Rheintal und fahre auf den Rheintal entlang. Hier kann mich kein Auto über den Haufen fahren.
Bald ist Dornbirn und Österreich erreicht. Hier geht es quer durch den Bregenzer Wald. In der Ferne sehe ich den Bodensee.
Bald ist die Landesgrenze erreicht. Dann endlich erblicke ich eine Bäckerei in Oberstaufen. Hier könnte ich schon in den Zug einsteigen. Doch ich habe noch viel Zeit.
Die Zeit nutze ich um das schöne Tal nach Immenstadt entlang zu radeln. Keinen Meter habe ich bereut. Nächster Vorteil ist, dass hier der Zug um 9 Uhr abfährt und ich somit das Bayern-Ticket nutzen kann.
Dann steige ich den Zug, der mich zurück nach Erlangen bringt. Auf den Heimweg sehe ich, dass sie hier fleißig waren - die zweite Röhre vom Burgberg wurde während meiner Radl-Tour durchstoßen.
Zu erwähnen wäre noch, dass man als Randoneuer so auf einiges gefasst sein muss. So ist mir in der Schweiz der Gepäckträger gebrochen. Die vielen Kopfsteine der Val Tremola waren doch zuviel. Welch ein Glück, dass ich mir Kabelbinder eingsteckt hatte, womit ich den Träger einigermaßen fixieren konnte (Blech entsprechend vorher auf Spannung hingebogen). Für lange Touren werde ich immer einen Alu- oder Stahlrahmen (Titan werde ich mir nie leisten können) bevorzugen. Carbon könnte durch die Kabelbinder durchgescheuert werden.
Ein gelungener Abschluss vom M15, den ich jederzeit wieder so durchführen würde.
Ciao
Roland
Hier noch die gefahrene Route: